Unterricht Draussen

Draussen in der Natur kann man unglaublich viel lernen und entdecken. Ich bin der Überzeugung, dass Unterricht, der sich ausschliesslich auf das Klassenzimmer beschränkt, nicht der Lebenswelt und dem Lernen der Kinder entspricht und somit ungenügend ist - und dies unabhängig von der Altersstufe.


Ganz klar und eindeutig wissenschaftlich belegt ist beispielsweise, dass man das Blicken in die Ferne braucht, damit sich die Augen gesund entwickeln. Wie viele Kinder musste ich schon zur Augenabklärung oder zur Optometrie schicken, weil sie schlichtweg in ihrem kurzen Leben zu wenig "gesehen" haben und zu viel Zeit vor der Flackerkiste verbracht haben?


Zudem bewegt man sich selbstverständlich viel mehr, wenn man Draussen in der Natur ist und nicht im Klassenzimmer. Die Überwindung dieser Distanzen beeinflusst klar die motorische Entwicklung, aber auch die Bewegungsmotivation und baut erst noch Stress ab. Wenn man durch unwegsames Gelände geht, über Kies und Schotter läuft, sein Gleichgewicht auf Trampelpfaden ausprobiert, auf Baumstämmen balanciert, unter tiefen Ästen gebückt durchläuft, unterwegs Beeren entdeckt und nascht, dann beeinflusst man durch diese Aktivität den Blutdruck, den Sauerstoffgehalt des Blutes, die Durchblutung von Muskeln und Gewegen und die Bildung von Knochenbälkchen positiv. Wenn man sich vor Augen hält, dass knapp jedes sechste Kind in der Schweiz übergewichtig ist, dann ist der Bewegungsaspekt von absoluter Brisanz und unbedingt auch von Seiten der Schule abzudecken.



Die eigene Körperwahrnehmung, die sich durch die Bewegung und das Aufhalten in der Natur unbewusst verbessert, fördert auch die bewusste Handlungsfähigkeit und alle motorischen Bereiche. Ein Kind kann gezielter Greifen, die linke und rechte Hand besser miteinander in Einklang bringen, und auch die Hand-Augen-Koordination wird geschärft.


Weil der Wald, die Felder und alle anderen Bereiche der Natur keine klaren Regeln vorgeben, nicht durch Nullen und Einsen in ein Richtig und ein Falsch einteilen, müssen wir kreativ werden. Da kann ein Blatt so viel mehr sein als nur ein Blatt. Ein Ast, auf den ich ein Blatt stecke, kann zu einem Wurzelmännchen werden, zu einem Segelschiff, einem Löffel, einer Markierung und vielem mehr. Die sich dadurch entwickelnde Kreativität ist dringend notwendig und ein bestandteil der Problemlösefähigkeit. Es braucht kreative Köpfe und das Denken über den Nasenrand hinweg und um Ecken, um die Probleme dieser Welt lösen zu können.


In der Natur und im gemeinsamen Spiel wird auch ganz nebenbei das Selbstvertrauen aufgebaut und man wird geerdet, findet zu sich, zu seinem Mittelpunkt und kann sich dadurch auch wieder eher in den kooperativen Fähigkeiten und seiner eigenen, angeborenen Widerstandfähigkeit, der Resilienz, weiterentwickeln.
 

Dies sind natürlich nur einige und absolut nicht alle positiven Aspekte des Unterrichts in der Natur. Die Aufzählung hat also keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Beim Unterricht in der Natur muss es nicht unbedingt darum gehen, mathematische Inhalte oder Rechtschreibkompetenzen zu erwerben. Es soll bewusst darum gehen, die überfachlichen Kompetenzen zu fördern und eine Bildung für nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. Es soll darum gehen, die Kinder wieder ganzheitlicher zu fördern und Kopf, Herz und Hand - wie es damals schon von Pestalozzi gefordert wurde - ins Gleichgewicht zu bringen.